STAND 15.12.2023 | LESEZEIT 13 MIN
Die Arbeitswelt befindet sich schon länger in einem Wandlungsprozess. Unternehmen wechseln ihre Standorte, die technische Entwicklung stellt an den Arbeitnehmer neue Herausforderungen. Dies kann aufgrund von dringenden beruflichen Erfordernissen eines Unternehmens zu einer betriebsbedingten Kündigung führen, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr möglich ist. Damit Sie wissen, ob Ihre betriebsbedingte Kündigung legitim ist, klären wir Sie in diesem Beitrag über die Gründe, die Fristen und die Möglichkeit einer Abfindung auf.
Wenn ein Unternehmen einem Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen will, können dafür ganz unterschiedliche Gründe vorliegen. Wichtig dabei ist, dass die Kündigung unter Beachtung des Kündigungsschutzgesetzes vier wesentliche Kriterien erfüllt, damit sie rechtlich zulässig ist.
Bei einer betriebsbedingten Kündigung kann es sowohl innerbetriebliche als auch außerbetriebliche Gründe geben.
Innerbetriebliche Gründe bei einer betriebsbedingten Kündigung:
Außerbetriebliche Gründe bei einer betriebsbedingten Kündigung:
Erst dann, wenn eine Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers dauerhaft nicht mehr möglich ist, wird eine betriebsbedingte Kündigung als rechtmäßig anerkannt. Eine Standortverlagerung oder Schließung eines Werkes allein reichen nicht aus, um eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, intern eine andere Stelle zu finden, entweder im Wege einer Versetzung an einen anderen Standort oder durch eine Änderungskündigung. Beide Möglichkeiten können für den Arbeitnehmer nachteilig sein, bei der Versetzung ändern sich Ort und mitunter Art und Umfang seiner Tätigkeit, bei einer Änderungskündigung wird der aktuelle Arbeitsvertrag beendet und ein neuer Arbeitsvertrag wird aufgesetzt, der auch nachteilige Vertragsbedingungen enthalten kann. Damit wird das Arbeitsverhältnis zwar fortgesetzt, aber zu geänderten Konditionen.
Wenn es keine andere Option gibt, den Arbeitnehmer im Betrieb anderweitig zu beschäftigen, spricht man von einer sogenannten „Dringlichkeit“. Sollte nach der Kündigung aber ein anderer Mitarbeiter auf die gekündigte Stelle gesetzt werden, dann ist die Kündigung unwirksam.
Eine Interessenabwägung findet statt, wenn die Interessen des Arbeitgebers mit denen des Arbeitnehmers gegeneinander abgewogen werden. Überwiegen die Argumente des Arbeitgebers, dass eine Weiterbeschäftigung aus wirtschaftlichen und unternehmerischen Gründen nicht sinnvoll ist, dient ihm das als Vorteil. Diese Voraussetzungen sind automatisch gegeben, wenn die beiden oben angegebenen Kriterien wie betriebliche Erfordernisse und unmögliche Weiterbeschäftigung erfüllt sind.
Letztendlich muss bei einer betriebsbedingten Kündigung noch eine korrekte Sozialauswahl erfolgen. Auf diesem Weg wird anhand eines Punktesystems ausgewählt, wer gemäß § 1 Abs. 3 KSchG von den Mitarbeitern besonders schutzbedürftig ist.
Bei der Auswahl muss der Arbeitgeber folgende Anforderungen beachten:
Das Punktesystem berücksichtigt die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Unterhaltsverpflichtungen, das Alter und Behinderungen. Nach dem Prinzip der Vergleichbarkeit dürfen nur die Mitarbeiter bewertet werden, die vergleichbar sind anhand ihrer Fähigkeit, ihrer Qualifikation, ihres Arbeitsvertrags sowie ihrer Stellung. Das heißt, ein Mitarbeiter aus dem Lagerwesen kann nicht mit dem Mitarbeiter aus dem Controlling verglichen werden. Ausgenommen von der Regelung der Sozialauswahl sind sogenannte Leistungsträger, die aus wirtschaftlicher Sicht für das Unternehmen unentbehrlich sind.
So funktioniert das Punktesystem der Sozialauswahl:
Der Mitarbeiter mit der höchsten Punkteanzahl wird als „sozial schwach“ eingestuft: In diesem Fall ist eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig. Die Mitarbeiter mit den geringsten Punktzahlen werden als wenig sozial schutzwürdig eingestuft. Damit hat das Punktesystem zur Folge, dass häufig jüngere und unverheiratete Mitarbeiter ohne Kinder die ersten sind, die den Betrieb verlassen müssen. Das System berücksichtigt insofern die Schutzbedürftigen und geht davon aus, dass die sozial stärkeren Arbeitnehmer unter der Kündigung weniger finanziell leiden und auf dem Arbeitsmarkt wieder schneller eine Anstellung finden.
Man spricht von einem Kleinbetrieb, wenn maximal zehn Mitarbeiter in Vollzeit in einem Unternehmen beschäftigt sind. Da in einem Betrieb dieser Größenordnung der Kündigungsschutz nicht greift und eine Kündigung ohne Angabe von Gründen möglich ist, funktioniert in diesem Fall eine betriebsbedingte Kündigung vergleichsweise einfach. Der Arbeitgeber kann relativ frei agieren, denn er muss dem Arbeitnehmer weder eine Abfindung zahlen, noch eine vollumfängliche Sozialauswahl vornehmen.
Einen Sonderfall bilden hier jedoch die Mitarbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis vor dem 01.01.2004 begann. Vor diesem Stichtag lag der Schwellenwert für die Betriebsgröße bei Kleinbetriebe bei fünf oder weniger Arbeitnehmern. Somit findet bei den Alt-Arbeitnehmern demzufolge das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Betroffene sollten Ihren Anspruch auf eine Abfindung prüfen lassen.
Eine betriebsbedingte Kündigung während der Probezeit ist grundsätzlich möglich. Während dieser Zeit gelten jedoch in der Regel verkürzte Kündigungsfristen. Die genauen Bedingungen und der Umfang einer betriebsbedingten Kündigung während der Probezeit können je nach Arbeitsvertrag und geltendem Arbeitsrecht variieren. Arbeitgeber sind innerhalb der Probezeit allerdings generell nicht dazu verpflichtet, einen Kündigungsgrund anzugeben.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung innerhalb der Probezeit nicht die gleichen sind wie außerhalb der Probezeit. Der allgemeine Kündigungsschutz gemäß § 1 Abs. 1 KSchG gilt erst dann, wenn in dem Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt werden und man selbst länger als 6 Monate in dem Betrieb tätig ist. Diese zweite Voraussetzung, eine Beschäftigung von mehr als 6 Monaten, nennt man Wartezeit. Die Wartezeit bleibt unverändert, unabhängig davon, ob eine Probezeit vereinbart wurde oder nicht.
Bei der Berücksichtigung folgender Kriterien kann eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam sein:
Da es sich bei einer betriebsbedingten Kündigung um eine ordentliche Kündigung handelt, richtet sich die gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 622 BGB nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit:
Damit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG 1) erfüllt ist, muss der Arbeitnehmer in den letzten 30 Monaten insgesamt mindestens 12 Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Da im Falle einer betriebsbedingten Kündigung der Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu verschulden hat, fällt keine Sperrzeit an und der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist gegeben.
Der Betriebsrat kann bei einer betriebsbedingten Kündigung Widerspruch erheben, wenn folgende Punkte zutreffen:
Wenn Sie betriebsbedingt gekündigt worden sind, sollten Sie erst einmal durchatmen und nicht übereilt handeln. Verweigern Sie zunächst die Unterschrift und signalisieren Sie Ihrem Arbeitgeber auf diese Weise, dass Sie mit der Kündigung nicht einverstanden sind. Zugleich sollten Sie sich offen zeigen für Weiterbildungen und Fortbildungen, denn dadurch kann das Beschäftigungsverhältnis an anderer Stelle im Betrieb aufrechterhalten werden, oder Sie erhöhen Ihre Chancen auf einen neuen Job am Arbeitsmarkt. Wenden Sie sich an den Betriebsrat und informieren Sie ihn über Ihre betriebsbedingte Kündigung, damit diese geprüft und gegebenenfalls Widerspruch eingelegt werden kann.
Lassen Sie sich zudem in der KLUGO Erstberatung über weitere Schritte informieren, indem Sie Ihre ersten Fragen direkt an einen Fachanwalt und Rechtsexperten stellen.
Nach Zustellung der Kündigung haben Sie innerhalb einer Frist von drei Wochen die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Schalten Sie einen Anwalt für Ihre Kündigungsschutzklage ein, damit Sie wissen, wie Sie am besten weiter vorgehen – und ob Ihnen eine Abfindung zusteht.
Melden Sie sich innerhalb von drei Tagen beim zuständigen Arbeitsamt arbeitssuchend. So sichern Sie sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist rechtzeitig ab und es entsteht keine finanzielle Lücke.
Gemäß § 1a des Kündigungsschutzgesetzes besteht für betriebsbedingte Kündigungen ein Anspruch auf Abfindung, der jedoch nicht automatisch entsteht, sondern an weitere Voraussetzungen gebunden ist:
Will der Arbeitgeber eine Kündigungsschutzklage verhindern, wird er dazu neigen, ein Angebot zu unterbreiten, damit im Gegenzug auf eine Klageerhebung verzichtet wird.
Da sich die Höhe einer Abfindung nach Anzahl der Beschäftigungsjahre berechnet und Steuern dabei berücksichtigt werden müssen, empfehlen wir Ihnen, Ihre voraussichtliche Abfindung anhand unseres Abfindungsrechners zu kalkulieren. Hier erfahren Sie detailliert, wie Sie die Höhe ermitteln.
Alternativ zur betriebsbedingten Kündigung kann ein Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag anbieten. Der Arbeitgeber entgeht damit einem langwierigen Arbeitsrechtsstreit, da der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers verfällt. Arbeitgeber bieten daher oft eine höhere Abfindung an, die Sie jedoch unbedingt nachrechnen und verhandeln sollten.
Ein Aufhebungsvertrag sollte gut überlegt sein, denn er ist mit Risiken verbunden:
Man sollte sich der Risiken bewusst sein und nicht überstürzt handeln. Einen Anwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren, ist in jedem Fall die richtige Entscheidung. Er unterstützt Sie fachlich und steht Ihnen zur Seite, wenn Sie bei einer betriebsbedingten Kündigung Widerspruch einlegen oder eine angemessene Abfindung erhalten wollen.
Dann nutzen Sie einfach die KLUGO Erstberatung. Die Erstberatung ist ein Telefongespräch mit einem zertifizierten Anwalt aus unserem Netzwerk.
Beitrag juristisch geprüft von der KLUGO-Redaktion
Der Beitrag wurde mit großer Sorgfalt von der KLUGO-Redaktion erstellt und juristisch geprüft. Dazu ergänzen wir unseren Ratgeber mit wertvollen Tipps direkt vom Experten: Unsere spezialisierten Partner-Anwälte zeigen auf, worauf es beim jeweiligen Thema ankommt.